Berufsbild
Die Notarinnen und Notare
Notarinnen und Notare haben ein öffentliches Amt inne und ihnen sind hoheitliche Befugnisse zur vorsorgenden Rechtspflege in Deutschland übertragen. Sie üben eine präventive Rechtskontrolle aus und errichten Urkunden, die bindende Beweiskraft gegenüber Gerichten haben und unmittelbar vollstreckbar sind.
Präventive Rechtskontrolle
Das deutsche Rechtspflegesystem geht entsprechend der Rechtslage in den meisten kontinentaleuropäischen Mitgliedstaaten im Zivilrecht von einem Zweisäulenmodell aus. Die vorsorgende Rechtspflege durch Notarinnen und Notare dient dem Schutz unerfahrener, ungewandter Beteiligter vor rechtlicher Benachteiligung und gewährleistet Rechts- und Beweissicherheit zum Zweck späterer Streitvermeidung. Die präventive Rechtskontrolle der Notarinnen und Notare hat gegenüber der richterlichen Streitentscheidung eine echte Komplementärfunktion. Ihnen kommt gewissermaßen als „Richterinnen und Richtern im Vorfeld“ eine eigene hoheitliche Kontroll- und Entscheidungskompetenz zu.
Mit der den Notarinnen und Notaren zugewiesenen Beurkundungszuständigkeit erfüllen sie im Rahmen eines öffentlich-rechtlich ausgestalteten Rechtspflegeverfahrens die Justizgewährungspflicht des Staates, die zu einer abschließenden Entscheidung mit unmittelbaren Rechtsfolgen für die Beteiligten führt: Nur durch die Beurkundung kommt im Falle eines Beurkundungserfordernisses ein rechtswirksamer Vertrag zustande. Genau wie der Justizgewährungsanspruch der Bürgerinnen und Bürger die Gerichte zur Streitentscheidung verpflichtet, verpflichtet der Urkundsgewährungsanspruch Notarinnen und Notare zur Vornahme einer rechtmäßigen Urkundshandlung (§ 15 Abs. 1 BNotO).
Bindende Beweiskraft
Besondere Bedeutung kommt der beweisrechtlichen Bindungswirkung notarieller Urkunden zu: Die Feststellungen der Notarinnen und Notare über die Urkundsbeteiligten sowie Ort, Zeitpunkt und Inhalt der beurkundeten Erklärung sind für die Gerichte nach §§ 415 ff. ZPO bindend und schränken sie in der Beweiswürdigung und damit in der Ausübung ihrer richterlichen Befugnisse ein.
Vollstreckungsfunktion
Notarielle Urkunden sind regelmäßig auch Vollstreckungstitel, aus denen die Zwangsvollstreckung wie aus einem gerichtlichen Urteil möglich ist. Dadurch werden den Beteiligten bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche zeit- und kostenintensive Gerichtsverfahren erspart. Die notarielle Zuständigkeit zur Errichtung von Vollstreckungstiteln und zur Erteilung vollstreckbarer Ausfertigungen (§ 797 Abs. 2 Satz 1 ZPO) ist Ausdruck hoheitlicher Befugnisse: Die Vollstreckungsklausel enthält die Eingriffsermächtigung für den Zugriff durch das Vollstreckungsorgan. Notarinnen und Notare nehmen bei der Titelerrichtung und Klauselerteilung funktional betrachtet originär Befugnisse wahr, die ansonsten Gerichten zugewiesen sind.
Auswahl, Ernennung und Aufsicht
Notarinnen und Notare sind in das Justizsystem in Deutschland eingebunden. Nach § 4 Satz 1 BNotO werden so viele Notarinnen und Notare bestellt, wie es den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege entspricht. Deren Auswahl und Ernennung obliegen der staatlichen Justizverwaltung. Die Dienstaufsicht führt die Präsidentin oder der Präsident des Landgerichts bzw. Oberlandesgerichts im jeweiligen Bezirk.
Dienstrechtliche Stellung der Notarinnen und Notare
Aufgaben und Tätigkeiten von Notarinnen und Notaren haben viele Seiten: Einerseits repräsentieren sie den Staat. Sie sind Träger eines öffentlichen, vom Staat verliehenen Amtes und in dieser Funktion Hoheitsträger. Dies kommt für die rechtsuchenden Bürgerinnen und Bürger bildhaft darin zum Ausdruck, dass Notarinnen und Notare ein Amtsschild mit dem Landeswappen benutzt. Für Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen tritt auch die andere Seite hervor: Die Notarinnen und Notare bieten unabhängige und unparteiliche Vertragsgestaltung und Streitschlichtung.
Notarinnen und Notare sind besonders qualifizierte und erfahrene Juristinnen und Juristen, deren Urkunden für Rechtssicherheit, Rechtsfrieden und Schutz der unerfahrenen Person sorgen. Sie werden als Amtspersonen vom jeweiligen Ministerium der Justiz ernannt. Bei der Auswahl der Bewerberinnen und Bewerber werden strenge Maßstäbe angelegt. Alle Notarinnen und Notare haben eine mehrjährige Ausbildung durchlaufen, die nicht nur deren fachliche Qualifikation, sondern auch ihre soziale Kompetenz in schwierigen Verhandlungssituationen (z. B. dem Abschluss von Scheidungsvereinbarungen) sicherstellen soll.
So darf zur Notarin und zum Notar nur bestellt werden, wer die Befähigung zum Richteramt nach dem deutschen Richtergesetz erlangt, d. h. die erste und zweite juristische Staatsprüfung mit Erfolg abgelegt hat. Zudem müssen die Bewerberinnen und Bewerber nach Persönlichkeit und Leistungen für das Amt der Notarin oder des Notars geeignet sein (§ 5 BNotO). Für die erstmalige Bestellung gilt eine Altersgrenze von 60 Jahren (§ 6 Abs. 1 Satz 1 BNotO).
Notarinnen und Notare unterstehen der Dienstaufsicht der Präsidentin oder des Präsidenten des Landgerichts und des Oberlandesgerichts, die deren allgemeine Amtsführung regelmäßig überprüfen. Für Notarinnen und Notare gelten ähnliche dienstrechtliche Vorschriften wie für Landesjustizbeamtinnen und -beamte sowie Richterinnen und Richter. Sie unterliegen der Disziplinargewalt der jeweiligen Landesjustizverwaltung.
Bei ihrer Amtsausübung, insbesondere bei der Urkundsgestaltung, sind die Notarinnen und Notare wie Richterinnen und Richter sachlich und persönlich unabhängig. Sie sind allein dem Gesetz unterworfen.
Während ihres Berufslebens erhalten sich Notarinnen und Notare ihre fachliche und soziale Qualifikation. Das Gesetz verpflichtet sie, sich kontinuierlich fortzubilden.
Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Notarinnen und Notare steht immer der Mensch. Denn ebenso wichtig wie äußerste Genauigkeit und fundiertes Wissen ist Verständnis für die Anliegen, Sorgen und Nöte der Ratsuchenden.